Shuqing Xu erhält ERC Consolidator Grant für die Erforschung der Evolution ökologischer Gemeinschaften im Klimawandel

EU-Förderung für Forschungsarbeiten über die Evolution von Ökosystemen unter aktuellen und zukünftigen Klimabedingungen

23.11.2023

Fressen und gefressen werden, konkurrierende Ressourcen – das sind sicherlich die bekanntesten Interaktionen zwischen Organismen, die in einem Ökosystem zusammenleben, doch bei Weitem nicht die einzigen. Vielmehr interagieren die verschiedenen Arten auf vielfältige und komplexe Weise. Doch wie ändert sich das Ökosystem, wenn die Temperaturen aufgrund des Klimawandels steigen? Derzeit fokussiert sich die Forschung primär darauf, wie einzelne Arten isoliert auf den Klimawandel reagieren. Die einzelnen Arten interagieren jedoch mit anderen Arten des Ökosystems und diese Art-Interaktionen können sich durch den Klimawandel verändern. So könnte beispielsweise eine Pflanze durch die erhöhten Temperaturen schneller wachsen – nimmt die Zahl ihrer Fraßfeinde jedoch ebenfalls zu, könnte sie größeren Schaden erleiden und sich dadurch schlussendlich sogar weniger ausbreiten. Diese Zusammenhänge möchte Prof. Dr. Shuqing Xu von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) untersuchen. Für das Projekt "Real-time (co)evolution in a multitrophic community under current and future climates" erhält er eine Förderung des Europäischen Forschungsrats, kurz ERC für European Research Council, in Höhe von zwei Millionen Euro. Der bewilligte ERC Consolidator Grant gehört zu den am höchsten dotierten Fördermaßnahmen der EU, die an Spitzenforscher*innen vergeben werden. Shuqing Xu kam 2022 von der Universität Münster als Professor für evolutionäre Pflanzenwissenschaften an die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU).

Wie wirkt sich der Klimawandel auf ein Ökosystem aus?

Für ihre Forschung beabsichtigen Xu und sein Team 32 Teichanlagen anzulegen, in denen sich hunderte von Arten tummeln. "Den Fokus richten wir auf drei Arten: Wasserlinsen – im Volksmund auch Entengrütze genannt –, eine an der Wasseroberfläche wachsende Pflanze, sowie Blattläuse, welche die Wasserlinsen befallen, und Wasserflöhe, kleine, unter Wasser lebende Krebstiere", erläutert Xu. Die drei Arten interagieren sowohl direkt als auch indirekt: Die Läuse befallen die Wasserlinsen, die Wasserlinsen konkurrieren mit Algen um Licht und Nährstoffe, die Wasserflöhe wiederum fressen die Algen. Um zu untersuchen, wie diese Arten und das gesamte Ökosystem auf eine Temperaturerhöhung reagieren, wird die Hälfte der Versuchsteiche zusätzlich erwärmt. Im Verlauf von zwei Jahren werden die Forschenden um Xu regelmäßig Proben von den Pflanzen, den Tieren sowie dem Wasser und den darin enthaltenen mikroskopischen Lebewesen nehmen. Anschließend werden die enthaltenen Spezies mittels Mikroskopie und Sequenzierung untersucht: Wie verändert sich die Zusammensetzung der Arten und die Diversität innerhalb einer Art? Zudem planen die Forschenden, in einigen Teichen die Evolution der Wasserlinsen zu stoppen, um auf diese Weise den Einfluss der Anpassungsprozesse auf die anderen Arten und das Ökosystem genauer zu untersuchen.

Experte auf dem Gebiet der evolutionären Pflanzenwissenschaften

Prof. Dr. Shuqing Xu ist seit 2022 Professor für Evolutionäre Pflanzenwissenschaften an der JGU. Zuvor hatte er eine W2-Professur an der Universität Münster inne und forschte am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena. Nach Abschluss seines Studiums der Zellbiologie und Genetik in China hatte er 2011 an der ETH Zürich promoviert. Xu wurde bereits mit zahlreichen Preisen geehrt, unter anderem mit einem Marie Skłodowska-Curie Fellowship der EU und dem Early Career Award der International Society of Chemical Ecology.

ERC Consolidator Grant

Der ERC Consolidator Grant ist eine der höchstdotierten Fördermaßnahmen der EU für einzelne Wissenschaftler*innen. Der Europäische Forschungsrat fördert damit herausragende Wissenschaftler*innen 7 bis 12 Jahre nach der Promotion. Zusätzlich zur wissenschaftlichen Exzellenz müssen die Antragsteller*innen den bahnbrechenden Ansatz ihres Projekts und seine Machbarkeit nachweisen, um die Förderung zu erhalten. Die Förderdauer beträgt fünf Jahre.

Der Europäische Forschungsrat hat außerdem zwei weitere ERC Consolidator Grants an der JGU genehmigt: ein Projekt zur Erforschung neurodegenerativer Erkrankungen von Prof. Dr. Dorothee Dormann und ein Projekt zur energieeffizienten Ausführung reaktiver Softwaresysteme von Prof. Dr. Sebastian Erdweg. Ferner ist der Palaeogenetiker Prof. Dr. Joachim Burger an einem Consolidator Grant beteiligt, den Prof. Dr. Christina Papageorgopoulou von der Demokrit-Universität Thrakien koordiniert und der die Anpassung historischer Bevölkerungen an städtisches Leben erforscht.